Lesermail zum Artikel: 'Gewerbegebiet mit Luftschlössern'
Lieber Herr Bachhuber,
mit der bisherigen Gewerbepolitik - vorsichtige Ausweisung von etwa 16 ha in den letzten 17 Jahren und im Mittel moderat steigender Gewerbesteuer - ist Oberschleißheim gut gefahren. Die Pflichtaufgaben konnten erfüllt, die Schulden gesenkt und eine Anzahl freiwilliger Leistungen weitergeführt oder neu übernommen werden.
Die Pflichtaufgaben bleiben aber nicht konstant! Allein für das nächste Jahr sind zusätzliche Ausgaben für Pflichtaufgaben in Höhe von mindestens 650.000 € sicher (Neubau der Realschule, Betrieb Kinderkrippe).
Auch auf absehbare Zeit sind diese Ausgaben sicher. Und sie werden weiter steigen (Weitere Kinderbetreuung, Ganztagesklassen, Sanierung Gymnasium usw.).
Ohne langfristig zusätzliche Einnahmen wird das nur auf Kosten der freiwilligen Leistungen und des Standards bei den Pflichtaufgaben möglich sein. Wer weiterhin den Sport durch kostenlose Überlassung der Sportstätten fördern, ein Hallenbad betreiben, die Volkshochschule und Musikunterricht fördern oder zusätzlichen Förder- und Sprachunterricht anbieten will, darf nicht zulassen, dass der finanzielle Spielraum dafür von der Ausweitung der Pflichtaufgaben aufgezehrt wird.
Die Hoffnung, die Ausgaben aus einer Erhöhung der Einkommenssteuerumlage decken zu können, trügt. Die wäre nur durch massiven Zuzug möglich, würde aber gleichzeitig den Bedarf an Pflichtleistungen ebenso erhöhen - ein Nullsummenspiel.
Weitere Einwohner werden in Oberschleißheim willkommen sein, sie werden aber nicht das Finanzierungsproblem lösen können. Darum ist mittelfristig die Ausweisung von Gewerbeflächen nötig.
Dazu gibt es zwei prinzipiell mögliche Standorte. Einmal Ausweisung zwischen Bruckmannring und A92, wie von CSU (vor einiger Zeit; wie sie heute darüber denkt, sagt sie nicht; distanziert hat sie sich davon jedenfalls nicht) und FW angestrebt. Dieser hat den Nachteil, dass er auf Unterschleißheimer Flur liegt und erst durch einen Gebietstausch erworben werden müsste.
Er liegt im in der Landesentwicklungsplanung festgesetzten Grünzug zwischen Ober- und Unterschleißheim. In der Konsequenz würde sich ein geschlossenes Gewerbegebiet vom S-Bahnhof Oberschleißheim bis zum Unterschleißheimer Maisteig ergeben. Verkehr in dieses Gewerbegebiet müsste auf Oberschleißheimer Seite nach dem Willen von CSU und Grünen durch die Feierabend- und Mittenheimer Straße geführt werden. Eine Verlegung der Staatsstraße lehnen diese Fraktionen ja ab.
Die SPD-Fraktion hält diese Fläche darum für absolut ungeeignet. Alle anderen gegen eine Gewerbebebauung vorbringbaren Argumente gelten dort natürlich genau so wie östlich der A92.
Der zweite mögliche Standort ist die Fläche östlich der A92, die jetzt Gegenstand der Abstimmungen ist. Sie wurde unter Bürgerbeteiligung im Ortsentwicklungsprozess angeregt und ist durch die Ausbaupläne der Tiermedizinischen Fakultät verhandelbar geworden.
Nun zu den Befürchtungen. Der jetzt hohe Verkehrslärm am Westrand des Ortes wird unabhängig von einer Gewerbegebietsausweisung durch den Ausbau der A92 auf sechs Spuren auf das gesetzliche Maß von 59 (tags) / 49 (nachts) dB(A) verringert werden müssen. Lärmschutzwälle, die diese Forderungen erfüllen, wurden von der Autobahndirektion geplant und im Gemeinderat vorgestellt. Die Gemeinde sollte aus den dafür angesparten Mitteln diesen Schutz noch verbessern.
Auch ein neues Gewerbegebiet und eine verlegte Staatsstraße müssen sich an diese gesetzlichen Werte halten. Gegenüber dem jetzigen Zustand ist das in jedem Fall eine deutliche Verbesserung, unabhängig vom Ausgang des Ratsbegehrens.
Dass Ansiedlungspolitik, Auswahl der Betriebe und ansprechende Architektur anspruchsvolle Aufgaben sind, ist klar! Abgrundtiefer Pessimismus glaubt nicht an die Lösbarkeit dieser Aufgaben. Er verkennt, dass es gute, architektonisch ansprechende und Gewerbesteuer erbringende Lösungen sehr wohl gibt; dass wir aber auch alles tun müssen, sie zu bekommen.
Wenn im Rats- und Bürgerbegehren dieser Pessimismus dazu führt, dass keine Ausweisung möglich ist, wird die Gemeinde im Rahmen ihrer jetzigen Handlungsmöglichkeiten bleiben. Nur wird dieser Rahmen durch immer weitere Pflichtaufgaben ständig schrumpfen.
Peter Lemmen (Gemeinderat, SPD)
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08.08.2013 | Ihre Meinung dazu... | nach oben | zurück